MÄNNLICHKEITEN IM WANDEL
Alte und gewaltvolle Bilder davon, wie Männer* sein sollen, gibt es immer noch überall in unserer Gesellschaft. Obwohl sich die Regeln für Männer* heute ändern und unser Leben oft nicht mehr zu den alten Bildern passt, gibt es viele Menschen, die immer noch stark an diesen alten Bildern festhalten:
Menschen, die sehr streng und traditionell in ihren Meinungen sind, Menschen, die Frauen* nicht gleichbehandeln und diese abwerten und immer noch viele Fälle, in denen Menschen zu Hause Gewalt erleben.
Doch was genau ist Männlichkeit?
Wie wird Männlichkeit überhaupt sichtbar?
Warum ist es wichtig positive Formen von Männlichkeit zu haben?
Wie können diese aussehen?
Und was ist überhaupt problematisch an alten Vorstellungen von Männlichkeit?
Hier findest du Begriffe und Zusammenhänge rund um das Thema Männlichkeiten, um dich zu informieren und zu bilden.
Sei ein Mann! Nur wie? | Streetphilosophy | ARTE
UNSERE THEMEN
Was in der Gesellschaft von Männern* erwartet wird
Schon von klein auf lernen Jungen*, dass sie nicht sanft, empfindsam oder schwach sein dürfen, wenn sie als "richtige" Jungs* oder Männer* gelten wollen. Diese Verhaltensweisen werden oft Mädchen* und Frauen* zugeschrieben, die ihrerseits während ihrer Erziehung mit bestimmten Erwartungen an ihre Geschlechterrolle konfrontiert sind. Stereotype Bilder von Männlichkeit, die wir täglich in Büchern, Werbung, Medien, Politik und Bildung sehen, verfestigen diese überholten Geschlechterrollen und setzen klare Erwartungen an alle Geschlechter. Der Ausdruck „seinen Mann stehen“ spiegelt die Erwartungen wider, die besonders an Männer* gestellt werden, wie sich bewähren, tapfer sein, oder Mut zeigen. Diese Redewendung verdeutlicht den Druck, den Männer* in unsicheren oder kritischen Situationen spüren, um stets kontrolliert und entschlossen zu handeln. In unserer Gesellschaft werden Eigenschaften wie Stärke, Führungskraft, Ehrgeiz, Selbstvertrauen, und Durchsetzungsvermögen hoch geschätzt und als Zeichen erfolgreicher Männlichkeit angesehen. Männer* lernen, diese Eigenschaften zu entwickeln und zu beweisen, was zur Bildung eines männlichen Selbstverständnisses beiträgt. Pierre Bourdieu nennt dies die "ernsten Spiele des Wettbewerbs", die auf verschiedene Weisen stattfinden können und oft mit körperlichen, emotionalen und sogar rechtlichen Risiken verbunden sind. Dazu gehören verbale Auseinandersetzungen, Trinkgelage, physische Konflikte, aber auch Wettbewerbe in der Wissenschaft oder Wirtschaft. Diese Kämpfe um Dominanz helfen Männern*, Anerkennung zu finden und Gemeinschaft zu bilden. Durch diese teils harten Wettbewerbe lernen Jungen früh, wie sie mit negativen Gefühlen umgehen und sie letztendlich unterdrücken können, was dazu führt, dass sie wichtige Teile ihrer emotionalen Selbstwahrnehmung verlieren. Diese Erfahrungen beeinträchtigen ihre Fähigkeit, empathisch zu leben und mit anderen solidarisch umzugehen. Während einige Aspekte ihrer Persönlichkeit dadurch stärker werden, werden andere vernachlässigt. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Anforderungen an Männlichkeit nicht naturgegeben und unveränderlich sind. Aussagen wie "Jungs sind eben so" verstärken Geschlechternormen, die einschränkend und schädlich sein können. Jungen* und Männern* fehlen oft Vorbilder für alternative Männlichkeiten, die es ihnen erlauben würde, ihre Identität jenseits von Machtkämpfen und Dominanzansprüchen zu gestalten.
Väter und Elternschaft
Die Rolle von Vätern sowie das Bild von Vaterschaft hat sich in der heutigen Gesellschaft deutlich verändert.
Sexismus
Männlichkeit und unfairer Umgang mit Menschen wegen ihres Geschlechts hängen eng zusammen und beeinflussen, wie wir über Männer* und Frauen* in unserer Gesellschaft denken. Sexismus bedeutet, dass Menschen wegen ihres Geschlechts schlechter behandelt werden. Oft haben Männer* Vorteile, nur weil sie Männer* sind, während Frauen* und andere Geschlechter benachteiligt werden. Diese Ungerechtigkeit kann auch dadurch entstehen, dass manche Männer* versuchen, den Erwartungen zu entsprechen, die an sie als Männer* gestellt werden, und dabei andere unfair behandeln. Sexismus zeigt sich auf viele Arten und in vielen Bereichen unseres Lebens, wie zum Beispiel: Am Arbeitsplatz: Frauen* verdienen oft weniger als Männer* für die gleiche Arbeit, oder ihnen werden nicht die gleichen Chancen gegeben. In den Medien: Frauen* und Männer* werden oft in stereotypen Rollen dargestellt, die nicht der Realität entsprechen. Im öffentlichen Raum: Frauen* erleben Belästigungen und Übergriffe auf der Straße. In sozialen Medien: Online gibt es viele beleidigende Kommentare und Mobbing gegen Frauen*. In Schulen: Mädchen* und Jungen* werden manchmal unterschiedlich behandelt oder haben unterschiedliche Erwartungen. In der Politik: Frauen* sind oft unterrepräsentiert in Führungspositionen. Im Gesundheitswesen: Manchmal gibt es Vorurteile gegenüber den gesundheitlichen Bedürfnissen von Frauen* oder Männern* oder weniger Forschung zu Krankheiten, die Frauen* betreffen. In Familie und Beziehungen: Oft gibt es eine ungleiche Aufteilung der Hausarbeit. In Kultur und Tradition: Manche Traditionen unterstützen unfairer Weise bestimmte traditionelle Rollen für Männer* und Frauen*, bei der Frauen* abgewertet werden. Im Sport: Frauen* im Sport werden oft finanziell weniger unterstützt und ihrer Leistung weniger ernst genommen als Männer*. Um Sexismus zu bekämpfen, müssen wir alle zusammenarbeiten. Das bedeutet, wir müssen lernen und verstehen, wie und warum diese Ungerechtigkeiten passieren, und uns dafür einsetzen, dass sie aufhören. Ein wichtiger Schritt ist auch, unsere Vorstellungen von Männlichkeit zu ändern. Es geht darum, Männer* nicht zu drängen, immer stark und dominant zu sein, sondern ihnen zu erlauben, auch andere Seiten zu zeigen. Wenn wir Männlichkeit auf eine gesündere und gerechtere Weise sehen, können wir dazu beitragen, eine Kultur zu schaffen, die alle Geschlechter fair und mit Respekt behandelt.
Privilegien
Männliche Privilegien sind Vorteile, die Männer* einfach deshalb haben, weil sie Männer* sind. Diese Vorteile kommen aus alten Vorstellungen darüber, was es heißt, ein Mann* zu sein, und diese Ideen bevorzugen Männer* gegenüber Frauen* und anderen Geschlechtern. Zum Beispiel verdienen Männer* oft mehr Geld als Frauen*, die die gleiche Arbeit machen, und sie haben mehr Chancen, in wichtige Positionen aufzusteigen. Männer* müssen sich auch keine Gedanken machen über Dinge, die viele Frauen* besorgen, wie zum Beispiel nachts alleine nach Hause zu gehen. Diese Vorteile sind tief in unserer Gesellschaft verwurzelt und kommen nicht daher, dass Männer* bewusst entscheiden, sie zu haben. Sie sind einfach Teil eines Systems, das Männer* bevorzugt. Das bedeutet aber nicht, dass alle Männer* immer und in jeder Situation Vorteile haben. Es gibt Männer*, die wegen ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder aus anderen Gründen nicht dieselben Vorteile haben. Manche Männer* finden es schwer, für Gleichberechtigung zu kämpfen, weil sie ihre eigenen Vorteile nicht sehen. Diese Vorteile sind für sie normal und unsichtbar. Aber um eine gerechte Gesellschaft für alle Geschlechter zu schaffen, ist es wichtig, dass Männer* diese Privilegien erkennen und sich dafür einsetzen, dass jeder fair behandelt wird. Es geht nicht darum, Männern* Schuldgefühle zu machen, sondern darum, ein System zu ändern, das unfair ist. Wenn Männer* ihre Privilegien erkennen und sich für Gleichberechtigung einsetzen, hilft das allen, mehr Chancen und ein besseres Leben zu haben.
Hegemoniale Männlichkeit
Die australische Forscherin Raewyn Connell erklärt, dass Männlichkeit eine Rolle ist, die Männer* und Frauen* in der Gesellschaft einnehmen, und die bestimmtes Verhalten erfordert. Dieses Verhalten wirkt sich auf das körperliche Erleben, die Persönlichkeit und die Kultur aus. Männlich zu sein bedeutet oft, sich von dem abzugrenzen, was als weiblich gilt, und bestimmte (weibliche) Verhaltensweisen zu meiden. Männlichkeit zeigt sich nicht nur im Verhältnis zu Frauen*, sondern auch in der Beziehung zwischen Männern*, die oft von Wettbewerb und Dominanz geprägt ist. Connell sagt, dass es nicht nur eine Art von Männlichkeit gibt, sondern verschiedene Arten, die durch soziale Unterschiede wie Klasse, Ethnizität oder Sexualität geformt werden. Diese Unterschiede führen zu einer Hierarchie unter Männern*. Connell unterscheidet zwischen hegemonialer Männlichkeit, also der dominanten Form, und anderen Formen von Männlichkeit, die nicht dominant sind, aber in Beziehung zur hegemonialen Männlichkeit stehen. Dazu gehören: Untergeordnete Männlichkeit: Hier geht es um Männer*, die nicht dem Idealbild entsprechen, oft weil sie homosexuell sind. Dies führt zu Ausgrenzung und Homophobie. Schimpfwörter wie Schlappschwanz, Waschlappen, Muttersöhnchen oder Memme machen deutlich, dass heterosexuelle Jungen* und Männer* untergeordnet sein können, wenn sie hegemoniale Eigenschaften nicht verkörpern können oder wollen. Komplizenhafte Männlichkeit: Männer*, die nicht unbedingt dem dominanten Ideal entsprechen, profitieren dennoch vom patriarchalen System und dessen Privilegien. Marginalisierte Männlichkeit: Männer*, die aufgrund von Rassismus, sozialer Ungleichheit oder anderen Faktoren nicht vollständig an der Macht teilhaben können. Obwohl nicht jeder Mann* die hegemoniale Männlichkeit verkörpert oder anstrebt, ist sie doch eine prägende Kraft in der Gesellschaft. Connells Forschung hilft, die Vielfalt männlicher Erfahrungen zu erkennen, die nicht nur von Macht und Dominanz, sondern auch von Ohnmacht und Verletzlichkeit geprägt sind. Männlichkeit wird als ein unsicheres Konstrukt gesehen, das ständig bestätigt werden muss. Das Nicht-Erfüllen der hegemonialen Erwartungen kann zu Ausgrenzung führen, was zeigt, dass Männlichkeit tief in der sozialen Struktur verankert ist und nicht nur eine persönliche Wahl darstellt. Connell, Raewyn (1999): Der gemachte Mann: Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. Opladen: Leske+Budrich.